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Wir dokumentieren ein Flugblatt des Verbandes sozialistischer StudentInnen, ca. aus dem Jahre 1970, in dem sowohl auf Gorz Bezug genommen als auch die Rolle der Wissensproduktion im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung ins Visier genommen wird. Interessant der offensichtlich vom ebenfalls hier nachgedruckten Text von André Gorz inspirierte radikale Titel; wie doch die Zeit vergeht …

ZERSCHLAGT DIE HOCHSCHÜLERSCHAFT, WÄHLT VSSTÖ
ZUR KRITIK DER HOCHSCHULDIDAKTIK

Die positivistische Vereinzelung der Wissenschaften vollzieht sich historisch mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften und dem Übergreifen eines naturwissenschaftlich entwickelten Begriffs von Wissenschaft und wissenschaftlicher Systematik. Endgültig direkt in den Verwertungszusammenhang des Kapitals eingebracht wird Wissenschaft in der Phase der gegenwärtigen „technologischen Revolution“. Die positiven Wissenschaften selbst entwickeln ein Instrument, das die Vermittlung profitwirtschaftlicher Interessen unmittelbar in den Forschungs- und Ausbildungsbetrieb leistet: eine neue, positive Wissenschaft, die Wissenschaft von der wissenschaftlichen Lehre: die Didaktik.

Wird Wissenschaft im historischen Prozess zur unmittelbaren Produktivkraft, sprengt sie ihren traditionellen organisatorischen Rahmen in Hochschule und Universität, gliedert sie sich als Forschung unmittelbar an die industriellen Produktionsbetriebe bzw. tendiert der Hochschulbetrieb dazu, sich nach dem Vorbild industrieller Großbetriebe zu organisieren.

Hochschuldidaktik als Teildisziplin der Didaktik hat die Aufgabe, neue Modelle von Anpassungsstrategien zu entwickeln, die nicht nur Wissen für die Vermittlung an den Lernenden praktikabel gestalten, sondern auch die Internalisierung der Normen vollziehen, nach denen sich Forschung und Lehre profitwirtschaftlich organisieren.

Das kapitalistische System der Produktion stellt an den wissenschaftlich-technisch Arbeitenden Innovationsforderungen, die selbst in Widerspruch sich befinden zur autoritär-hierarchischen Betriebsorganisation des Ausbildungs- und Forschungsbetriebes an den Hochschulen. Der Widerspruch entwickelt sich zwischen „der technischen Initiative der Arbeit und dem Status eines Ausführungsorgans.“[1] Das vereinzelte Individuum muß sich, soll es nicht zugrunde gehen, durch Identifikation mit dem Angreifer retten, es macht sich zum Sachwalter jenes heteronomen Realismus, den es zuinnerst fürchtet, es übernimmt die Normen und Vorstellungen, die seine Autonomie gebrochen haben. Damit aber ist vollzogen, was das Profitinteresse intendiert hatte: das autonome Subjekt ist zerstört, und es wird unmittelbar in den Verwertungsprozeß, sei es als Träger von Techniken, sei es als Ideologienproduzent, verfügbar.

Didaktik übernimmt in diesem Prozeß der Anpassung einerseits die explizite Formulierung der Normen, an die angepaßt wird, andererseits liefert sie Techniken, die diese Anpassung vollziehen.

Im SPÖ-Hochschulkonzept ist zwar die Rede vom „Abbau von Angst, Leistungsdruck und irrationalen Autoritäten“[2], keineswegs aber geht es dem SPÖ-Reformkonzept um die „Notwendigkeit, die Kritik der Wissenschaften zum Kernstück der Reform zu machen.“[3] Didaktik leistet dort nur die Reproduktion des immer schon vorgegebenen in die Zukunft, während es sozialistischer Didaktik darum geht, den Selbstreflexionsprozeß von Wissenschaft massenhaft zu befördern, sodaß das gebrochene, d.h. entpolitisierte Theorie-Praxis-Verhältnis der Wissenschaften durch radikale Reflexion wieder einzuholen [sic!].

Sozialistische Didaktik muß von der Antizipation eines gesellschaftlichen Zustandes ausgehen, indem nicht nur die wissenschaftliche Produktion vergesellschaftet ist, sondern auch die Aneignung ihrer Produkte gesellschaftlich vor sich geht. Sozialistische Didaktik ist somit die radikale Kritik der herrschenden Didaktik, d.h. des Vermittlungsprozesses von Kapitalinteresse und Wissenschaftsproduktion, die Kritik von Herrschaft im Dienste des Kapitals [sic!].

Dieser emanzipatorische Kampf muß organisiert vor sich gehen. Das momentane organisatorische Stadium sind die Basisgruppen an den einzelnen Instituten. Darum:

ORGANISIERT EUCH IN BASISGRUPPEN!


[1] Andre Gorz: Zur Strategie der Arbeiterbewegung im Neukapitalismus, Frankfurt/M. 1967, S.48

[2] Für ein modernes Österreich, Hochschulkonzept der SPÖ, Wien 1969, S.28

[3] Jürgen Habermas: Das chronische Leiden der Hochschulreform, in: Protestbewegung und Hochschulreform, Ffm.1969, S.79

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ISSN 1814-3164 
Key title: Grundrisse (Wien, Online)

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