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Alice Pechriggl: Agieren. Aspekte und Psychotropen des Handelns

Ich möchte mich der Frage nach Aspekten des Handelns widmen, die sich aus der Spannung zwischen Agieren im psychoanalytischen Sinn und Handeln im politischen Sinn ergibt, um sie auf einige ihrer Implikationen für feministische Theorie und Praxis hin zu erhellen. „Die Psychoanalyse ist nicht dazu da, uns – wie die exakten Naturwissenschaften – notwendige Ursache-Wirkungsverhältnisse anzugeben, sondern um uns Motivationsverhältnisse anzudeuten, welche grundsätzlich bloß möglich sind.“ schreibt Merleau-Ponty.[1] Die Untersuchung der Spannung zwischen Agieren und Handeln zielt genau auf diese möglichen Motivationsverhältnisse ab, insbesondere sofern sie aus einer Ethik und Handlungstheorie ausgeschlossen bleiben müssen, die auf der Kantschen Polarität von Innerlichkeit und Äußerlichkeit sowie von Selbst und Anderen, gut und böse, Vernunft und Sinne, aktiv und passiv, etc. beruht.

Die Spannung zwischen Agieren und Handeln erscheint erst innerhalb eines handlungstheoretischen Rahmens, der den Handlungsbegriff nicht nur als vielschichtigen Komplex zwischen Psyche, Soma und Gesellschaft fasst, sondern diese Auffächerung der Schichten sowohl auf der ontologischen Ebene der Ursachen, Motivationen und Triebfedern als auch auf jener der Ziele ansetzt. In diesem Sinn ist Handeln in einer ersten Annäherung immer schon über- und unterdeterminiert, multipel bis widersprüchlich zweckgerichtet und in manchen Aspekten bar jeden Zwecks oder im Interesse von Niemand (outis), aber doch als gewollt erachtet oder zumindest erachtenswert.

Agieren im psychoanalytischen, also zuerst im Freudschen Sinn bezeichnet ein Tun, das sich seiner Motive und Ziele nicht bewusst ist bzw. als hysterisches oder neurotisches etwas erreichen zu wollen vorgibt, um „ganz andere“, unbewusste und in das derzeitige Bewusstsein nicht einlassbare Wunsch-Ziele zu verwirklichen. Wichtig ist dabei der statische Charakter der Wunschvorstellung und der sie begleitenden Affekte, die miteinander in einem unbewussten psychoaffektiven Konflikt (oder Trauma) kristallisiert sind, um wieder und wieder ausgetragen und zugleich schon wieder in die sich vertiefenden Bahnung gelenkt zu werden; es geht dabei um Bahnungen, in denen die Affekt-Wunsch-Vorstellungsbündel phantasmatisch, gleichsam gespenstisch, lebendig gehalten werden. Demgegenüber steht am anderen Ende des semantischen Spektrums von agir (frz. tun, handeln) ein bewusstes, abwägendes und wirklichkeitsveränderndes bzw. -gestaltendes Beraten, Entscheiden und Umsetzen, das wir als explizite Politik charakterisieren, und das in dieser Weise mit der athenischen Demokratie zu sein und reflektiert zu werden begann. Die Dialektik von aktiv und passiv spielt in diesem Spektrum eine zentrale Rolle: was Freud Agieren nennt, ist aus der Perspektive der bewusst Handelnden eher ein Agiert- (oder Getrieben-) werden, ein Tun, welches das tuende Subjekt und ihm zugleich verbirgt, dass es nicht verlässlich das Kommando über seine Triebe und Triebschicksale hat.

„Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden“[2] schreibt Marx.

Er meint hier wohl nicht so sehr die sozioökonomische Struktur als vielmehr das kollektive Imaginäre und von ihm nicht weiter ausgeführte psychopolitische Kategorien, sowie die Relevanz der sogenannten Leichen im Keller der Nationen. Sie sind, auch als in der idealisierenden Symbolik des Staates schillernde Repräsentationen, auf die in der Ungewissheit des Neuen so gerne zurückgegriffen wird, noch lange nicht begraben. Es war Marx durchaus bewusst, dass große Teile der Bevölkerungen über weite Strecken ihrer Geschichte nicht als Akteure sondern als Agierte der Eliten, ihrer Interessen, Wünsche und Gespenster zu fungieren scheinen, als Verschubmassen sozusagen. Zugleich war Marx der wichtigste Philosoph der verändernden Praxis. Nun mag eine zynische oder Nietzscheanisch inspirierte Wendung dieser Sicht auf die Deutung hinauslaufen, dass die sozialen Individuen, die ein Volk oder eine Klasse, Gruppe etc. konstituieren, das Schicksal, das sie kulturell, sozioökonomisch und vor allem politisch erleiden, nicht nur verdienen, sondern unbewusst wünschen, ja zumindest herausfordern. Ich werde auf diese nicht nur zynische Perspektive zurückkommen, aber wir finden sie, zumindest implizit, auch bei Marx und vielleicht in jedem Ansatz, der auf der Organisierung von als amorphe Verschubmassen verfassten Mengen zur Verwirklichung politischen Handelns und zur Veränderung des sozialen und politischen Machtgefüges beharrt.

Dass Frauen nun innerhalb unseres Kulturkreises dem Agitationsschicksal unter anderen Bedingungen und vielleicht auch weniger homogen unterworfen waren/wurden als etwa die Sklaven der klassischen athenischen Polis oder des beginnenden Kapitalismus, ist seit langem Gegenstand sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzung. Eine Gesellschaft bzw. ein Kulturkreis, in denen Frauen traditionell als Andere/Fremde des politischen Raums, des organisierten Handelns und seiner institutionellen Strukturen betrachtet und gehalten wurden, bedarf nicht nur geschlechterkomplementärer Handlungstheorien (zumindest impliziter), sondern auch einer dazugehörigen Ideologie, spätestens wenn Frauen, aber auch Männer beginnen, diese Komplementarität und die ihr inhärenten Ausschluss- und Einschlussmechanismen in Frage zu stellen, zu verändern, zu bekämpfen etc.

Die psychoanalytisch inspirierte Analyse der Verinnerlichung von Herrschaftsstrukturen und –mustern für die (Nicht-)Subjektwerdung von Frauen als politische AkteurInnen eröffnete neue Perspektiven auf die Bedingtheiten der Frauen als Angehörige des „weiblichen Geschlechts“ bzw. der Geschlechterklasse „Frauen“. In der Ich-Bildung von Frauen gibt es verinnerlichte Konflikte, die sich aus ihrer Einfügung in einen Geschlechter- und Sexualitätsvertrag ergeben, der ihnen keinen imaginären Platz im Feld der expliziten Politik einräumt. Wie die Gesellschaft Frauen und Männer projiziert (im allgemeinen, nicht notwendig im Einzelnen, auf entsprechende weibliche und männliche Körper), so reproduziert sie sie auch als sich selbst zu reproduzierende, also als Individuen, die irgendwann von sich aus ihre Funktion und ihren narzisstischen Vertrag mit der Gesellschaft erfüllen.[3] Aulagnier bezeichnet damit eine Grundlage der Subjektwerdung des Menschen als nur in und durch die Gesellschaft anerkannter. Sie spricht von „énoncés du fondement“ (Aussagen der Grundlegung), die zugleich die Grundlegung der Aussagen (fondement des énoncés) darstellen und die kulturphilosophisch genauer mit Castoriadis’ zentralen imaginären Bedeutungen beschrieben wurden, sowie das gesamte darauf aufbauende Netz an Bedeutungen, weisen den Individuen einen über ihren Identifikationsprozess hinausreichenden und diesen zugleich begründenden Platz im Gefüge der sozialen Ordnung zu. Aus diesem Vertrag können sie nur um den Preis der psychischen wie auch existenziellen Desintegration ausgeschlossen werden oder aussteigen. Das heißt nicht, dass es in Aulagniers Konzeption keine Abänderungs- und kreative Freiheitsräume für die Einzelnen oder für von der heiligen Norm abweichende Kollektive gäbe, so wie dies etwa bei Butler für die relativ deterministisch gefasste heterosexistische Matrix erscheinen mag. Der in den systemischen Ansätzen der Sozialwissenschaften zentrale Begriff der doppelten Kontingenz (Parsons) greift diesbezüglich zu kurz. Anders eine dem poietischen, also auf die Einbildungskraft bezogenen Aspekt Rechung tragende Ontologie und Theorie des Handelns.[4]

Das ist gewissermaßen der ideelle oder auch ideologische Aspekt der Bio-Logik jeder Gesellschaft, also ihrer offiziellen und tiefgreifend verankerten Diskurse und Logiken im Sinne des Selbsterhalts dieser Gesellschaft als eines lebendigen, sich immer wieder neu hervorbringenden und teilweise reflektierenden Seins, das durch die identitäre Einfügung von Nachkommen und VorgängerInnen garantiert wird. Aus dieser konservierenden Perspektive ist selbständiges Handeln weder für Frauen noch für Männer vorgesehen, aber doch mehr oder weniger toleriert - für die einen mehr (insbesondere für die die Ordnung garantierenden Eliten), für die anderen weniger.

Wann also beginnt im Kontext verleiblichter, psychisch verinnerlichter und zugleich nicht erschöpfend determinierender Macht- und Unterwerfungsstrukturen ein kollektives Tun politisches Handeln zu werden? Diese Strukturen und Vertragsbedingungen, die jedem Individuum das ihm eigene Dasein in dieser je spezifischen Gesellschaft überhaupt erst ermöglichen, sind für Mädchen (konkret) a priori schlechter als für Knaben. Darüber braucht einstweilen noch nicht diskutiert zu werden, auch wenn die ebenso mythische wie widersprüchliche Positionierung von Frauen zwischen totalem und permanentem Opferstatus einerseits, natürlicher Überlegenheit oder Friedfertigkeit des „schwachen Geschlechts“ andererseits nicht zu halten ist. Am wenigsten für solche Frauen, deren Lebensentwurf sich gegen den herrschenden Geschlechtervertrag[5] einschreibt, ob nun verstärkt aus der Perspektive des Agierens oder aus jener des Handelns.

Agieren und Handeln lassen sich auf der Ebene des Gesellschaftlichen (und nur dort, also unter der Arendtschen Bedingung der Pluralität[6], macht dieses Spannungsverhältnis erst wirklich Sinn) nicht a priori voneinander abgrenzen. Es gilt für diese Unterscheidung ähnliches wie für die Begriffspaare Krankheit und Gesundheit oder Perversion und Normalität: Es handelt sich um Grenzbegriffspaare, die in ihrer je konkret betrachteten Wirklichkeit geschichtlich und gesellschaftlich zwar nicht erschöpfend bestimmt, aber doch weitgehend bedingt sind. (Der ontologische Zwischenraum kann als poietischer bezeichnet werden, also als ZeitRaum, in/aus dem Neues kreiert, hervorgebracht wird - sowohl praktisch wie auch theoretisch.)

Was wir also heute als groteskes Agieren in der Politik wahrnehmen mögen, wurde zu einer anderen Zeit, in einem anderen politisch-imaginären Kontext, vielleicht als der Situation durchaus angemessenes politisches Handeln oder Führen interpretiert und akklamiert (und so mag es kommen, dass Haider uns wie Hitlers übersurreale Farce erscheint, nachdem uns Hitler rückblickend ja bereits wie ein Akteur eines Bunuelfilms erscheinen kann[7]).

Doch dem relativierenden Standpunkt, demnach alles Handeln zugleich eigentlich „nichts anderes als“ Agieren ist, kann auch so etwas wie eine Begrenzung anheim gestellt werden, die ich in einer je unterschiedlichen Gewichtung von unbewusst-agierenden und bewusst-verändernden Anteilen im Handeln von Menschen sehe sowie in seiner Konzertierung, Strukturierung und Organisierung.

Dem Motto „Wo Es ist soll ich werden“ (oder: „Wo Ich ist, soll Es auftauchen“) könnte von da her ein anderes, die angebliche Rückwärtsgewandtheit der Psychoanalyse dekonstruierendes, angefügt werden: „Wo wir agieren, sollten wir zu handeln beginnen“ oder „wo wir handeln, sollten wir dem Agieren Rechnung tragen“. Dies setzt die Entwicklung von Handlungs- und Reflexionsbegriffen voraus, durch welche die Bewusstmachung dieser Differenz auf unterschiedlichen Ebenen der gesellschaftlichen Wirklichkeit erst erfahrbar und in Handlungsperspektiven umsetzbar wird. Solche Begriffe sind nicht als abstrakt allgemeine Funktionskategorien  zu verstehen, sondern als je situativ und kollektiv praktisch hervorgebrachte Bedeutungs- und Unterscheidungssystematiken. 

Wirklichkeit und Möglichkeit

Im 1. Buch Über die Seele merkt Aristoteles in methodologischer Absicht an: „Denn früher dem Begriff nach sind die Tätigkeiten (energeiai) und Handlungen (praxeis) als die Vermögen (dunameôn).“[8] Es geht ihm dabei noch nicht um politisches oder gemeinschaftsbezogenes Handeln als solches, wie dies in der Ethik oder der Politik der Fall ist. Vielmehr sind hier - im Sinne der Abhandlung - die Tätigkeiten und Handlungen des Menschen gemeint, insofern er ein sich nährendes, wahrnehmendes und vernünftig erfassendes Wesen ist. Das Tätigsein verwirklicht sich in den Handlungen, und es verwirklicht dadurch zugleich die Vermögen, die wir ohne diese manifeste Verwirklichung ja überhaupt nicht untersuchen, also begrifflich erfassen oder gemäß dem Logos zu begreifen versuchen könnten. Relevant erscheint mir dabei die nähere Darstellung der hier angesprochenen Methodologie. Während die aristotelische Ontologie jahrzehnte lang als Ontologie des Determinismus und des „was es war dies (gewesen) zu sein“ kritisiert worden ist, machten andere es sich zur Aufgabe, diese Kritik in Aristoteles hineinzutragen und sie dort aufzuspüren, wo sie aporetisch am Werk ist, und zwar durchaus vom Autor gewollt.[9] Was die Seinsweisen des Menschen betrifft (das Empsychon- Sein, also das Beseelt- Sein in der Seelenlehre, das Politisch-Sein in der Politik oder das Sprache-Haben etc.), so lassen diese sich ohnehin nicht begrifflich beschließen, weder bei/mit Platon noch bei/mit Aristoteles. Doch hier geht es um mehr: Die Verwirklichung ist die Bedingung der Möglichkeit. So kurz, so bündig das transzendentale Postulat einer Anthropologie, über das sich in einer von Theologie und Hegelianismus abgeschlossenen Ontologie kaum meditieren lässt. Es geht hier nicht nur um die Möglichkeit, die dunamis, also nicht nur um das Vermögen, gemäß dem Logos zu begreifen, sondern auch um die Möglichkeit, die das jeweilige Vermögen darstellt, ist. Das ist durchaus Aristotelisch: der Mensch verändert durch die Verwirklichung die Kapazität seiner Möglichkeiten, die wir seit Aristoteles Vermögen (oder Kräfte) nennen. Zugleich erkennt er die Möglichkeiten nur über die Manifestationen der Verwirklichung, durch die sie uns erst erscheinen, insofern wir halbwegs vergleichbare Menschen sind (und nicht Hunde oder Bienen).

Tätigkeiten und Handlungen also vor dem Vermögen, Wirklichkeit vor Möglichkeit oder als notwendiger Zugang zu ihr. Was die Möglichkeit allerdings der Wirklichkeit überlegen macht, ist die Tatsache, dass sie zwar im Hintergrund ruht, aber dennoch auch ist, wenn gerade nichts am Werk ist: Sie wird, wenn sie als Möglichkeit/Vermögen zur Verwirklichung gefasst wird, auch dann in ihrem jeweiligen Medium „Schlummern“, wenn sie gerade nicht verwirklicht ist. Sie wird allerdings nur solange als Möglichkeit anzunehmen sein, solange das Medium existiert und die Verwirklichung eine Denkmöglichkeit bleibt.

Die Möglichkeit der Vermögen fließt wie der Vorstellungsfluss, ohne dass etwas bestimmtes gesehen oder ohne dass überhaupt gewacht werden muss: im Traum geht die Phantasia weiter und sobald wir aufwachen - oder vielleicht sogar noch im nachtwandlerischen oder bewegten Schlaf - können wir mit der vorstellungsverbundenen Tätigkeit, dem Agieren, Tun und Handeln, jederzeit - oder fast - beginnen. Zwar wirkt auch die Möglichkeit untergründig, aber ab wann gilt dieses Wirken als Wirkung sich zu manifestieren? So entscheiden sich die meisten „Handlungen“, Ausführungen bevor wir selbst uns dessen gewahr sein können, manchmal kurz zuvor, manchmal lange vorher in uns schlummernd. Das schließt aber weder die Macht der Reflexionstätigkeit, noch die sekundäre Bearbeitung auf vorbewusster, teilweise auf bewusster, dann wieder auf vorbewusster Ebene aus.

Für Frauen, die gemäß Aristoteles keineswegs Pflanzenseelen haben[10] , sondern durchaus das Vermögen, die Macht im Staat zu übernehmen (wovor er, das brauche ich wohl nicht hinzuzufügen, eindringlich warnte), ist das Handeln bzw. nicht Handeln können/sollen/dürfen klar eingegrenzt. Das allen Menschen zuzusprechende höchste politische „Vermögen“ ist für Aristoteles die Urteils- und Entscheidungskraft (kritikê kai bouleutikê). Es ist das für antike griechische Verhältnisse bestverteilte, weil demokratische Vermögen, und Frauen verfügen gemäß Aristoteles darüber, obwohl ihnen die Teilnahme an der Herrschaft (kyriê) fehlt. Nun ist aber diese Teilnahme und Ausübung zugleich eine, die die Vermögen verwirklicht und wir wundern uns nicht, wenn Menschen, die in Unfreiheit und Ohnmacht aufwachsen, sich in ihr „Schicksal“ besser zu fügen scheinen, als solche, die an der Machtausübung teilhaben.

Nun wurden Frauen von dieser Teilnahme über Jahrtausende ausgeschlossen, von den Räumen und Sphären der expliziten Machtausübung ferngehalten. Bei Zuwiderhandeln wurden sie lange mit historisch-zyklischer Regelmäßigkeit bestraft, des öffentlichen Raums verwiesen und erst recht aus den Räumen der expliziten Machtausübung, also der Politik.

Im Feld der Politik geht es zuerst um Manifestationen, Ausdruck und Phänomenalisierung von Macht bzw. Ohnmacht und ihren Bedingungen[11]. Die Ethik, vor allem die Ethik Kantscher Prägung, macht hier keinen Sinn oder hat in diesem Feld (und vielleicht auch im anthropologischen Feld) immer schon ihren Sinn verfehlt[12].  Doch insofern die je vorherrschenden Ethiken oder ethoi die Menschen auch in ihrem politischen Dasein immer wieder lenken, leiten bzw. die Bewusstwerdung ihrer Motive gestalten und informieren, muss sie kritisch miteinbezogen werden, auch wenn sie oft wie ein „cache misère“ der Politik in Erscheinung treten mag. [13]

Ich möchte mich abschließend der Frage widmen, welche handlungsperspektivischen Implikationen mit der Einbeziehung der Spannung zwischen Agieren und Handeln verbunden sind. Die Verschiebungen zwischen intentionaler Handlung und unbewusster Wunscherfüllung sind meist nur motivationsanalytisch oder teleologisch feststellbar, obwohl der Realisierungsgrad für ihre Beurteilung durchaus relevant ist. Die meiste Zeit handeln wir zu einem bestimmten oder zu mehreren, auf die Wirklichkeit einwirkenden Zweck/en und erfüllen uns damit unbewusste aber auch bewusste Wünsche. Umgekehrt gibt es kaum ein Agieren von unbewussten Affekt-Vorstellungsbündeln oder von Wünschen, das ohne Auswirkung auf die Umgebung bliebe und das nicht nachträglich als absichtliche Handlung (zu diesem oder jenem Zweck, im Sinne der Freudschen Rationalisierung) gedeutet oder ideologisiert werden könnte.

Interpretationen von weiblicher Hysterie oder Magersucht als - zumindest impliziter - feministischer Widerstand sind Beispiele für die handlungstheoretisch beanspruchte Dimension psychodynamischen Agierens von Frauen: Was die Psychoanalyse im Bereich des Agierens ansiedelt, untersucht und behandelt, wird in den Raum des gesellschaftlich nicht nur relevanten, sondern auch subvertierenden Tuns gezogen und als zumindest implizites Handeln dargestellt. Es scheint mir wichtig, hier zwischen zwei Ebenen des Explizitmachens wirklichkeitsgestaltender Dimensionen von agir (tun, handeln) zu unterscheiden.

Das Explizitmachen von unbewussten Wünschen wider eine von der patriarchalen bzw. androarchalen Moral auferlegten und verinnerlichten Zensur zum Einen, das reflexive Explizitmachen dieser Manifestationen als nachträgliche Deutung der Subjekte selbst, wodurch diese gewissermaßen Autor_innenschaft und damit Verantwortung in einem widerständischen Sinn dafür übernehmen. Wenn wir diesen Aspekt genauer betrachten, wird es schwierig, das Argument des Zynismus und der Vereinnahmung vorzubringen. Nicht nur, dass wir es den Subjekten schon überlassen müssen, wie sie ihr Tun deuten und welche - politische oder unpolitische - Bedeutung sie ihm geben, können wir auch nie a priori über die tatsächliche politische Auswirkung solcher Deutungen urteilen.

Darüber hinaus können wir die Geschichte der politischen Emanzipation immer auch als ein kollektives und gefordertes  Heraustreten aus dem Status des Behindert- Seins oder Kolonisiert- Werdens oder der Hemmung im weitesten Sinn lesen, als ein diese Be- und Verhinderungen lösendes Agieren des Wunsches nach (durchaus diffus zu begreifender) Freiheit. Auch wenn es im streng psychoanalytischen Sinn nicht richtig ist, eine derartige Wunscherfüllung als Agieren zu definieren, weil sie nicht vordergründig einen unbewussten Wunsch zu erfüllen trachtet, ist dieser Aspekt durchaus relevant für die Frage nach feministischer Politik.

Einen zentralen Modus in der Frage nach der Differenzierung und Verschiebung zwischen der Perspektive des Agierens und jener des Handelns stellt die Negation als Zurückhaltung oder Hemmung, sowie als Abstinenz oder als Verzicht dar (dabei kann diese Hemmung sowohl ein heftigeres Agieren bewirken, als auch ein für die Reflexionszeit nötiges Zurückhalten des Agierens, wodurch eine Handlung überhaupt erst möglich wird). Daneben haben wir es immer auch mit der bestimmten und partiellen Negation in Form von Abwehren, von Kanalisierung und von Sublimierung als gleichsam abstrahierenden oder umleitenden Metabolisierungen zu tun. Die Hemmung, die einsetzt, wenn „wir“ aus einer Jahrhunderte oder auch nur Jahre währenden Abhängigkeit, aus einem „liebgewordenen Gefängnis“ wie Freud 1938 selbst über seine Beziehung zu Wien schreibt, heraustreten sollen, ist den meisten mehr oder weniger bekannt. Es ist eine Angst analog zu derjenigen, auf die Marx eingangs seines genialen Essais Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte anspielt, die Angst vor dem Neuen, bei der der Rückgriff auf Bekanntes im Symbolischen nicht immer die einzige aber doch eine beliebte Wahl ist. 

Kritik zwischen Urteil und Untersuchungskategorien

Während im öffentlichen, vor allem im juristischen Diskurs über Handeln und Handlungen bzw. Taten die Beurteilung der Motive und Motivationen sowie der Intentionen geprägt ist von der Frage nach der Schuld und den Möglichkeiten ihrer Feststellung, ist es nicht verwunderlich, dass diese Kategorie, insbesondere in einem christlich bzw. katholisch geprägten Kulturkreis maßgeblich an der Herausbildung der philosophischen wie auch politischen Handlungskategorien beteiligt ist/war. Die zentrale Rolle der Intention in der Ethik, des „procès d’intention“[14] gegen die Neigungen und Affekte sowie die artifizielle Einteilung in Internalismus und Externalismus, ist der relevanteste und nachhaltigste „Symptomenkomplex“ dieses Umstandes. Doch die auf Motive und Intentionen gerichteten heuristischen Erfordernisse der Rechtssprechung sollten nicht vergessen machen, dass Ursache, Schuld, Intention, Motivation oder „Triebfeder“ durchaus vielschichtig am Werk sind. Das gilt wenn wir als Einzelne, Private (idiota) tätig sind oder agieren, aber auch und vor allem, wenn wir handeln, also unter der Bedingung der Pluralität auf die Wirklichkeit verändernd einwirken.

Doch wenn wir immer schon - explizit oder implizit - nach der Schuld oder dem Verschulden suchen, dann werden wir dieser Vielschichtigkeit niemals Rechnung tragen können. (Es wäre interessant, diesen ethisch-juristischen Beurteilungszwang dort zu verstehen, wo es nicht um Straf- oder Untaten geht.)

Die politische Beurteilung von Beherrschungs- Settings ging immer wieder einher mit der Verurteilung der Beherrschten, die sich aus ihrer Unterdrückung nicht von selbst befreien. Dem geht zum einen die Annahme voraus, dass ein Volk, eine Klasse oder Gruppe etc. selbst das Schicksal mitkonstituieren, das sie kulturell, sozioökonomisch und vor allem politisch erleiden. Auf Ereignisse der Unterwerfung angewandt schreibt Marx, die unterworfene Nation nicht zufällig mit einer Frau vergleichend: „Einer Nation und einer Frau wird die unbewachte Stunde nicht verziehen, worin der erste  beste Abenteurer ihnen Gewalt antun konnte. Das Rätsel wird durch dergleichen Wendungen nicht gelöst, sondern nur anders formuliert. Es bliebe zu erklären, wie eine Nation von 36 Millionen durch drei Industrieritter überrascht und widerstandslos in die Gefangenschaft abgeführt werden kann.“

Nun hat die feministische Kritik seit Jahrzehnten die „condition des femmes“ zu analysieren, die Geschlechterherrschaftsverhältnisse zu dekonstruieren und in ihrer Instituiertheit zu beschreiben versucht, sie kann aber keine Erklärung für die „ursprüngliche Unterwerfung“ geben, die nicht immer schon einem Ursprungsmythos gleichen würde, also einer Geschichte, die - wie in Engels’ oder Bachofens Spekulationen ­- zwar ben trovata sein mag, aber keineswegs vera sein kann.[15] Es ist hier nicht der Raum, das von Nicole-Claude Mathieu erstmals genauer ausgeführte Dilemma zwischen Weichen bzw. Nachgeben (céder) und Zustimmung (consentement) aus sozialanthropologischer Sicht und auch politisch zu diskutieren.[16] Ich möchte für den aktuellen feministischen oder proto- bzw. antifeministischen Kontext einen Aspekt hervorheben, den Aspekt der Scham, der mit dem Vorwurf der Selbstverschuldung zusammenhängt, die sich in der Duldung oder dem Nachgeben  manifestiere. Die Schuld, die über die verinnerlichte Teilnahme an der eigenen Unterdrückung als Schuldgefühl akut wird, ist hier nicht als politische Kategorie zu werten, sondern als psychodynamische, die sehr wohl politische Implikationen zeitigt. Eine davon ist die uns hinlänglich bekannte Verleugnung der Unterdrückung tout court, nach dem Motto, wo kein Verbrechen, da keine Schuld und damit auch keine Selbstverschuldung.[17]

Die Differenzierung von Agieren und Handeln steht im Zeichen eines Dilemmas, das sich vor allem für Frauen als aus den Strukturen und Institutionen des Handelns weitgehend Ausgeschlossene zuspitzt. Der strukturelle Ausschluss impliziert, dass Frauen als solche über keine oder kaum existierende kollektive Handlungsstrukturen verfüg(t)en, sich also nur unter der als kultureller double bind bekannten Bedingung einer Art Travestie in die Vorhöfe, mittlerweile auch schon in die Zentren der Macht einschleichen oder hineinreklamieren können. Sie empfinden sich dabei, je nach ihrer Geschlechteridentifikation und –Sozialisation, ihrer sexuellen Orientierung, mehr oder weniger als Fremdkörper, was mehr oder weniger akut ausagiert wird, allerdings meist gegeneinander, jedenfalls selten gegen die be/herrschenden Mann-Männer.[18] Außerhalb der offiziellen Institutionen und Strukturen des Handelns und damit auch der Machtausübung in Hinblick auf Veränderung, Unterdrückung oder Verbesserung der allgemeinen Situation nimmt die Agierensdimension gegenüber der beratenden und entscheidenden Handlungsdimension wieder mehr Raum ein. Je weniger ein Tun sich mit den anderen im Austausch reflektiert und also auf sich bzw. auf die familiäre Privatheit zurückgeworfen ist, desto weniger verdient es, nicht nur im öffentlichen Diskurs, sondern auch in unserem politischen Selbstverständnis, die Bezeichnung Handeln. Gleichzeitig gibt es sehr wohl Dimensionen von Tun, die zwischen Agieren, Reflektieren und Handeln sinnstiftend und damit gesellschaftsgestaltend wirken, so etwa die Versuche innerhalb der Frauenbewegung, dem martialisch-kaderartig organisierten Handeln der politisierten Männer der 68er-Bewegung neue Versammlungs- und Handlungsformen entgegenzusetzen.

Aus derartigen Erfahrungen sowie aus der Entwicklung neuer politischer Handlungsbedingungen können Handlungsweisen hervorgebracht werden, die dem Ausagierten und Auszuagierenden, das sich nicht zuletzt aus und gegen Unterdrückung, Heteronomie und Herabminderung manifestiert, Rechnung tragen, ohne sich in der Angst um politischen Kontrollverlust zu beschließen. Wo die Stimmung nicht nur im Sinne der Abstimmung (die in angemessener Anwendung durchaus wichtig ist) politisch relevant ist, kann sie im Hinblick auf konzertiertes Agieren wirken. Wenn sich Feministinnen, Lesben, Schwule, Transgenders, Migrant_innen etc. als von den Räumen der expliziten Machtausübung und Ressourcenverteilung Abgeschottete formieren und sich dabei ihrer unbewussten Triebkräfte bewusst zu werden beginnen, können sie daraus reflektierbare und im Kairos, dem entscheidenden Moment, einsetzbare politische Macht machen und sich/einander in eine globale und polyphone Emanzipationsbewegung integrieren.

E-Mail: Alice.Pechriggl@uni-klu.ac.at


[1] „La psychanalyse n’est pas faite pour nous donner, comme les sciences de la nature, des rapports nécessaires de cause à effet, mais pour nous indiquer des rapports de motivation qui, par principe, sont simplement possibles.“ (dt. Übers. A.P.) Der Text, aus dem dieses Zitat stammt, ist als „L’Herméneutique Freudienne“ unter dem Kapitel „La compréhension psychanalytique du sujet“ in dem von Maurice Dayan zusammengestellten Buch Existence et Dialectique, Paris, 1971, PUF, abgedruckt; Zitat S. 60.

[2] Karl Marx, Der achzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Berlin, 1988, Dietz, S. 19.

[3] Zum Begriff des narzisstischen Vertrags (contrat narcissique) siehe Piera Aulagnier, La violence de l’interprétation, S. 182-192.

[4] Siehe hierzu aus feministischer Perspektive Alice Pechriggl: „Der Einfall der Einbildung als ontologischer Aufbruch. Vom Novum der Veränderung so mancher Verhältnisse, nicht zuletzt desjenigen der Geschlechter“ in: Alice Pechriggl und Karl Reitter (Hg.), Die Institution des Imaginären: zur Philosophie von Cornelius Castoriadis, Wien, 1991, Turia & Kant, S. 81-102 und in jüngerer Zeit vor allem Lois McNay, Gender and Agency. Reconfiguring the Subject in Feminist ans Social Theory, insbesondere Kap. 4 “Psyche and Society: Castoriadis and the Creativity of action” S. 117-154 sowie Kap. 5 , “Gender and Change. Concluding Remarks”, S. 155-164.

[5] Siehe hierzu u.a. Collette Guillaumins Begriff „sexage“ in: Sexe, race et pratique du pouvoir, Paris, 1992, Côté femmes.

[6] Vita Activa oder vom tätigen Leben, München Zürich, Piper, 1987.

[7] Farce im Sinne des Marxschen Topos in Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte: „Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ S. 19. Was Bion als Grundannahmen in Gruppenprozessen herausgearbeitet hat (Kampf-Flucht, Paarung, [[, scheint mir für die Politik nur unter der Bedingung äußerster Genauigkeit in der Analyse des politischen Imaginären, also der vorherrschenden Bedeutungen, der Strukturen der unterschiedlich stringent mengen- und identitätslogisch organisierten Institutionen und vor allem der Arten und Weisen der politischen Teilnahme/Ausgrenzung, Machtverteilung und des vorherrschenden Begriffs von Handeln brauchbar. Die grobe Übertragung von Grundannahmen, wie sie in psychoanalytischen Gruppen beobachtbar sind, auf das politische Feld bringt, mit der meist dazugelieferten Pathologisierung des jeweiligen leaders und seiner komplementären Menge, für die Analyse dieses Feldes relativ wenig, insbesondere dann, wenn es sich nicht um totalitäre Systeme handelt. In diesen wird die Komplementarität zwischen Führer und Menge tatsächlich so zentral, dass Bions Grundannahmen für deren Analyse durchaus erhellend sind, aber ebenso Aulagniers Ausführungen zur Psychose und dem oben erwähnten narzisstischen Vertrag zwischen Ich und Gesellschaft. Wilfried R. Bion, Erfahrungen in Gruppen, Stuttgart, Klett Cotta, [??. Piera Aulagnier, La violence de l’interprétation, Paris, PUF, 1975. 

[8] 415a18-19.

[9] Ich nenne hier nur die für mich wichtigsten französischen Aristotelesspezialisten Pierre Aubenque und Pierre Pellegrin. Aristoteles ist in vielen, ja den meisten Fragen expliziter Skeptiker bzw. führt er die skeptische Haltung des „richtig“ und zugleich „nicht richtig“ stets mit, ohne die unendliche Perspektive des Wahren aufzugeben. Zur Aristoteles’ Ontologie im Sinne der Heterogenität und nicht der Analogie des Seins, siehe vor allem Pierre Aubenque, Le problème de l’être chez Aristote, Paris, 1962.

[10] Wie dies immer wieder irrtümlich von Aristoteles’ schrulligen Ausführungen zum Beitrag des männlichen (die Form und das Verwirklichungsprinzip enthaltenden) und des weiblichen (das Embryo nur nährenden) Körpers in der Zeugungslehre auf seine Seelenlehre übertragen wurde.

[11] Ich beziehe mich hier stark auf Hanna Arendts Handlungstheorie als einer zumindest implizit politischen, insbesondere in Vita Activa.

[12] Kant wusste, dass die Auflage der Abspaltung aller Neigungen vom guten Willen die menschliche Natur überschreitet, aber er wusste nicht, wie fatal sich ein solch monströses Ansinnen auf die menschliche Psyche auszuwirken vermag. Aus der Perspektive des Agierens könnte ein ethischer Imperativ lauten: „lebe so, dass die Antriebe Deines Agierens Dir in Erscheinung zu treten vermögen und reflektierbar werden, die mörderischen wie die erotischen“.

[13] Da dieser Artikel nur ein Teil einer längeren handlungsphilosophischen Auseinandersetzung ist, verweise ich auf einen anderen Teil, der sich mit den Implikationen der Kantschen Ethik befasst, und den ich bei dem in Barcelona vom 2. bis 5. Oktober abgehaltenen 10. Symposion der IAPH (Internationale Assoziation von Philosophinnen) in gekürzter Form vortrug: „Politics between Eros, Duty and Inclination“.

[14] Schwer zu übersetzende Redewendung, die bedeutet, dass jemand für die ihm nur unterstellten Motive und Intentionen verurteilt werden soll.

[15] Se non è vero è ben trovato ist ein italienisches Sprichwort, das sich vornehmlich auf treffende Bemerkungen oder auf witzige Geschichten bezieht. Übersetzt lautet es ungefähr so: wenn es auch nicht stimmt, so ist es gut erfunden.

[16] „Quand céder n’est pas consentir. Des déterminants matériels et psychiques de la conscience dominée des femmes, et de quelques unes de leurs interprétations en ethnologie“ in: Nicole-Claude Mathieu (Hg.), L’arraisonnement des femmes. Essais en anthropologie des sexes, Cahiers de l’homme, Paris, 1985, Ecole des hautes études en sciences sociales, S. 169-237. (dt. Nicole-Claude Mathieu, Nachgeben ist nicht zustimmen, Wien, Wiener Frauenverlag, [[)

[17] Dieses Phänomen ist uns in den Nachfolgestaaten des 3. Reichs aus dem Umgang mit der NS-Vergangenheit in seinen extremen Ausformungen bekannt. Als wahnhaftes Konstrukt finden wir es im Revisionismus in zugespitzter, ja totaler Form. Siehe: Pierre Vidal-Naquet, Die Schlächter der Erinnerung. Essays über den Revisionismus, Wien 2000, WUV. Andere unbewusste Motive, wie etwa die Angst um den oder vor dem „Vater,“ sind hier ebenso relevant wie die Angst vor der Beteiligung der „Mutter“ an der Unterdrückung und Einfügung der Töchter in den sie missachtenden, zuweilen missbrauchenden Geschlechtervertrag. Gegen diese Art von Angst stellt ein Mutter- und -Weiblichkeitskult wie Irigaray und die Diotima-Gruppe ihn insinuieren ein psychohygienisch eventuell wirksames Unterfangen dar, das bei Feministinnen in den deutschsprachigen Ländern - aber auch in Frankreich - wohl nicht ganz zufällig weniger Anklang findet.

[18] Ich spiele hier auf die von Elisabeth Spelmann aus Platons Politeia herausgearbeiteten Hierarchie der Geschlechterklassen an: Mann-Männer wären die mit männlicher Seele (Löwenherz) in männlichem Körper; auf der untersten Stufe stehen die Weib-Weiber, zu denen die typische athenische Frau zu zählen sei. Siehe Elizabeth V. Spelman, „Hairy Cobblers and Philosopher-Queens“ in: Nancy Tuana (Hg.), Feminist Interpretations of Plato, Pennsylvania, 1994, The Pennsylania State Unviersity Press, S. 87-107. In der Politeia ist allerdings nie von Königinnen (basilissai) sondern von archousai (Herrscherinnen, die Klasse der WächterInnen) die Rede.

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